Was Big Data wirklich ausmacht

Übermenschlichkeit als Essenz

MuK-Blog für Digital Marketing #37: Was Big Data wirklich ausmacht
14. Januar 2021 Marketing Natives

Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts. Ein Begriff, der in Verbindung damit zunehmend seinen Weg in das kommunikative Branchen-Bullshit-Bingo gefunden hat, ist Big Data. Was aber macht Big Data wirklich aus? Welche Potenziale stecken dahinter? Lukas Kroisenbrunner studiert seit 2018 im Bachelor Marketing und Kommunikation und widmet sich im folgenden Blogbeitrag dem Thema.

Big Data: What the…?

Von kaum einer Konferenzbühne mehr wegzudenken, verfolgt sie uns: die Big-Data-Technologie. Doch mit einem „Können wir mal Big Data probieren?“ zu den IT-Verantwortlichen des Vertrauens ist es leider nicht getan. Per Definition bezeichnet Big Data Informationsmengen, die von Menschen ohne technische Hilfsmittel nicht verstanden werden können. Die Essenz von Big Data ist also das Übermenschliche. Während zur Auswertung „herkömmlicher“ Daten, wie etwa von Survey Data (also: aus der Marktforschung gewonnene Daten) eine simple Excel-Tabelle oder ein statistisches Auswertungsprogramm reicht, muss Big-Data-Technologie einiges mehr bereitstellen. Ein gängiger Weg, Big Data zu kategorisieren, ist die 3V-Regel: Big Data ist entweder „high-volume, high-velocity und/oder high-variety”. Entweder also viele, schnell zu verarbeitende, oder sehr unterschiedliche Informationen inklusive allen beliebigen Kombinationen aus den drei Aspekten. Weitere Vs wurden zusätzlich zum 3-V-Framework an mancher Stelle eingeführt: So schafft man es ja nach Quelle mit Veracity (Vertrauenswürdigkeit), Value (Sinn) und/oder Variability (zeitliche Veränderbarkeit) auf bis zu 6 Vs. Unabhängig von der Anzahl der Vs ist eines klar: Big Data fordert kosteneffektive, innovative Arten der Informationsverarbeitung, um die daraus gewonnene Information auch nutzen zu können. Eine Excel-Tabelle tut’s also nicht.

Das bloße Sammeln der Daten reicht außerdem nicht aus: Um aus Big Data Big Data zu machen, muss es wertschöpfend für die unternehmerische (z.B. Marketing-)Praxis genutzt werden, was auch das Value-V zu beschreiben versucht. Aus Big Data wird in diesem Prozess – in dem übrigens das Integrieren von Survey Data und den anderen „langweiligen“ Daten auch sinnvoll ist – Smart Data. Eine geeignete Art, diese Kreation von Smart Data zu erreichen, stellt eine Lambda-Architektur da. Diese kombiniert kurz gesagt das schnelle Verarbeiten von schnell zu verarbeitenden Daten mit dem zyklischen Verarbeiten anderer, großer Datenmengen. Für alles darüber hinaus gibt es die obligatorischen Powerpoint-Präsentations-YouTube-Turorials auch in diesem Bereich.

Unermessliche Datenspeicher

Der eine oder die andere fragt jetzt möglicherweise nach dem Sinn des ersten Absatzes – man ist immerhin (Digital)Marketer_in. Dieser ist alleine in der gemeinsamen Geschichte von Digitalmarketing und Big Data zu sehen: Zunächst hat die Digitalisierung Big Data erst ermöglicht und Datenspeicher wachsen ins Unermessliche, was Big Data erst nötig macht. Aber auch an den Datenquellen ist zu einem großen Teil die Digitalisierung schuld. Technologien, wie etwa GPS-Tracking, digitale Kund_innenklubs und (vor allem) Social Media sorgen für eine regelrechte Überflutung der Unternehmen mit Daten, die „interessant sein könnten“. Neue Möglichkeiten der passiven technischen Messung reihen sich ebenfalls in die Liste an Neo-Datenquellen ein. Big Data braucht also die Digitalisierung und das Digitalmarketing, während das digitale Marketing Big Data braucht, um die Unmengen an Daten sinnvoll zu nutzen.

Neben der gemeinsamen Geschichte von Big Data und Digitalmarketing lässt sich als Anknüpfungspunkt auch der Einsatzbereich von Big Data als Konnex nennen: Big Data steht zwar für gesellschaftlichen Wandel in allen Bereichen und führt auch im Prozessmanagement oder dem Controlling zu Umbrüchen. Sehr viele Anwendungsbeispiele von Big Data stammen aber aus der Unternehmenskommunikation und dort speziell aus dem Digitalmarketing. Führt man sich die (digitale) Cusomer Journey vor Augen, so fällt auf, dass Big Data auf jeder Stufe angewandt werden kann, um die Touchpoints individueller und effektiver zu gestalten. Zeitgleich können an den verschiedenen Touchpoints neue Daten gesammelt werden, die anschließend in das Big-Data-System eingespeist und nahezu in Echtzeit verwertet werden.

Abbildung 1: Customer Journey als Prozess | Eigendarstellung

Nimmt man etwa als Beispiel die Phase der Favorability, so kann mithilfe von Big Data der exakt richtige Zeitpunkt definiert werden, verstärkende Signale an die Zielperson auszuspielen. Dies könnte etwa eine Push-Notification in der installierten App sein, ebenso aber auch ein Social-Media-Sujet (Big Data hilft gerne bei der Medienauswahl). Zugleich kann durch Interaktionsdaten mit dem verstärkenden Signal Big Data weiter gespeist und weiter optimiert werden. Beispiel: Die Werbung wird sofort weggedrückt, Big Data „lernt“, diesen Zeitpunkt in Zukunft mit mehr Vorsicht zu genießen.

Und jetzt?  

Ist der schwierige Schritt der Implementierung von Big Data erst geschafft, die Lamba-Architektur eingerichtet und entsprechende Data Scientists gefunden, so können die Möglichkeiten von Big Data beginnen, sich zu entfalten. Diese sind beinahe grenzenlos, einige Beispiele sind es dennoch wert, erwähnt zu werden.

Ein populäres Beispiel, das im deutschsprachigen Raum und der DACH-Mediencommunity oft zum Erklären von Data Science, Data Mining und Big Data herangezogen wird, ist David Kriesels „Spiegeldatenmining“. Der Data Scientist „vorratsdatenspeicherte“ große Mengen an Artikeln des Spiegel und war durch Big-Data-Analyse unter anderem sogar in der Lage, romantische Verhältnisse zwischen Mitarbeitenden des Spiegel abzuleiten.

Blickt man weg von der Medien- und hin zur Werbewelt, so lassen sich ebenso Use Cases identifizieren. Diese laufen zumeist unter dem Namen „Data-driven Marketing“, setzen aber Big-Data-Technologien voraus. Netflix etwa hat gemeinsam mit Ogilvy Big Data genutzt, um die Einführung des Streaming-Services in Frankreich so optimiert und auf die Franzos_innen angepasst, wie möglich zu gestalten:

Video 1: Netflix Data Driven Animated Gif Campaign | Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=tZkILxaANLU

Weitere Beispiele inkludieren die berühmten Algorithmen von Amazon, Spotify und Co., welche zum exakt richtigen Zeitpunkt exakt das richtige Lied, den richtigen Podcast und das richtige Produkt vorschlagen. Doch auch das gängige österreichische Unternehmen kann genügend Use Cases für Big Data ausfindig machen: die Supply Chain kann optimiert und besser gesteuert werden, der Abverkauf von Waren und Dienstleistungen kann richtig getimed und geplant werden, die Produktqualität von Nahrungsmitteln kann mittels Temperaturüberwachung und einer vollständigen Rückverfolgbarkeit maximiert werden. Und dies sind nur Beispiele, die seit Jahren im Einsatz sind.

Im Allgemeinen gilt: Innovativ sein und die Kund_innen trotz datenbasierten Optimierungsprozessen nicht aus den Augen verlieren. Eine kluge Kombination aus den verschiedensten Datenquellen von der Mitgliedskarte bis zum Social-Media-Account kann mit Big Data das Kund_innenerlebnis erheblich individueller, besser und sympathischer machen!

 

 

Autor: Lukas Kroisenbrunner

Über Lukas: Er schließt im Herbst 2021 sein Bachelorstudium „Marketing & Kommunikation“ an der FH St. Pölten ab und interessiert sich neben Digitalmarketing auch für Public Relations und Marktforschung.

 

 

Autorin: Barbara Klinser-Kammerzelt

FH St. Pölten
FH-Dozentin im Bachelor Marketing & Kommunikation, Master Digital Marketing & Kommunikation
Lehrgangsleitung Werbung & Markenführung

 

 

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Quellen:

Boßow-Thies, S./Hofmann-Stölting, C./ Jochims, H. (2020): Das Öl des 21.Jahrhunders-Strategischer Einsatz von Daten im Marketing, in: Boßow-Thies, S./ Hofmann-Stölting, C./Jochims, H. (Hrsg.): Data-driven Marketing. Insights aus Wissenschaft und Praxis, Springer, S.3-26
Carstensen, A. (2018): Big Data in der Praxis. Marketing in der Musikindustrie. Eine Momentaufnahme des Social Web, in: Ahlers, M./Grünewald-Schukalla,L./Lücke, M/Rauch,M. (Hrsg.): Big Data und Musik. Jahrbuch für die Musikwirtschafts- und Musikkulturforschung 1/2018, Springer, S.129-152

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Lausber, I/Hoffmann, D. (2019): Robotic Process Automation, Predictive Analytics und Künstliche Intelligenz- Wo liegen die Anwendungsbereich im Controllin? Ergebnisse einer empirischen Studie, in: CARF Luzern 2019.Controllin.Acoounting.Risiko.Finanzen, Konferenzband, S.49-63
Oliver, M.A./Vayre, J.S. (2015): Big data and the future of knowledge production in marketing, in: Journal of Marketing Analytics Vol.3, Iss.1, S.5-13
Voss, A./ Sylla, K.H. (2014): Innovationspotenzialanalyse Big Data- Ergebnisse für das Marketing, in: Marketing Review St.Gallen, 2014, S.36-45.

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