Killt Programmatic Advertising die Kreativität?

Oder umgekehrt?

MuK-Blog für Digital Marketing #12: Programmatic Advertising
20. Dezember 2017 Marketing Natives

Gerade Programmatic Advertising wird oft in Verruf gebracht – als der Killer der Kreativität. Wie muss/wird/soll sich die Mediabranche in Zukunft verändern? Die beiden MuK*-Studentinnen Kristina Kern und Astrid Schipfer erzählen mehr darüber.

*FH St. Pölten Studiengang Media- und Kommunikationsberatung

Killt Programmatic Advertising die Kreativität – oder umgekehrt?

 

„If it doesn’t sell, it isn’t creative.“ – David Ogilvy.1 Werbung und Kreativität sind unmittelbar miteinander verbunden, wie auch die Herausforderungen, denen es sich Tag für Tag zu stellen gilt. Und dann kommen noch neue Werbe-Technologien hinzu, wie beispielsweise Programmatic Advertising. 2016 wurden damit 592 Millionen € Nettowerbeumsatz in Deutschland erwirtschaftet.2 Nun wird jedoch gerade Programmatic Advertising oft in Verruf gebracht – als der Killer der Kreativität. Und wie muss/wird/soll sich die Mediabranche in der Zukunft verändern?

Programmatic Advertising – was ist das nochmal gleich?

Programmatic Advertising ist der automatisierte Einkaufs- oder Verkaufsprozess von digitalen Werbeflächen bzw. das automatische Ausspielen von Werbung online. Ziel ist die kundenspezifische Ansprache – im besten Fall mit relevanter und passender Werbung. Dies passiert ohne personalisierte Daten. Oft wird in diesem Zusammenhang auch mit dem Begriff „Real time Advertising“ umhergeworfen. Im angloamerikanischen Raum ist es daher vor allem auch als RTB – real-time bidding – bekannt. Die Preise werden dynamisch bestimmt, da Auktionen im Hintergrund automatisiert ablaufen.3

Programmatic Advertising als Killer der Kreativität?

Thomas Zant, CEO von adverserve, einem Adserver-Digitalagentur-Systemkomplex: „Nein, das System beeinflusst die Kreativität nicht.“ Laut ihm wird dabei lediglich der Ein- und Verkaufsprozess umgestellt. Dabei geht es vor allem um Schnelligkeit und Effizienz. Die auszuliefernde Werbung wird dabei stärker auf das Individuum angepasst. Kernaussage und Botschaft müssen jedoch sehr wohl strategisch als auch kreativ überlegt und transportiert werden.

Auch Karin Fauland, CEO von engage.media, sieht die Herausforderung weiterhin an die Kreation gerichtet: „Die Anforderung, für den Kunden attraktiv zu sein und aus der Menge hervorzustechen, verändert sich durch ein Ausspiel-System nicht. Im Gegenteil, es bietet sogar zusätzliche Möglichkeiten. Der nächste richtungsweisende Schritt von Programmatic Advertising ist die datenbasierte Entstehung des Werbemittels. Dadurch wird eine noch genauere und gezieltere Ansprache möglich sein.“ Auch die Effektivität von RTA sieht Fauland in Zukunft stark gesteigert. „Die Nutzer werden beim RTB von morgen direkt mit den eigenen Interessen angesprochen, was zu viel höherem Engagement führen wird.“

Wichtig sind dabei vor allem die Touchpoints der Customer Journey. Diese gilt es genauer anzusteuern sowie mit unterschiedlichen Botschaften der jeweiligen Phase entsprechend zu reagieren – und natürlich zu optimieren. Ganz entsprechend dem traditionellen Kauf-Funnel.

Buchstaben-Gemetzel EU-DSGV

Neben der Kreation haben auch gesetzliche Veränderungen Auswirkungen auf diese eher neue Werbeform. Mit Mai 2018 tritt die neue Datenschutzgrundverordnung in Kraft.

Die wichtigsten Punkte der Verordnung betreffen vor allem die Unternehmen selbst, nicht die Mediaplanungs-Dienstleister. Unternehmen müssen von nun an die von ihnen verwendeten Tools offenlegen sowie auch welche Daten damit gesammelt werden. Im besten Fall stellt jedes Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten an, der sich mit den rechtlichen Erfordernissen auskennt und für deren Erfüllung sorgt.

Kritisch sieht das Zant. Seiner Meinung nach wird das Datenmanagement eingeschränkt. „Es trifft wieder nicht diejenigen, die die Daten tatsächlich missbrauchen. Dies führt nur zu einem weiteren Wettbewerbsnachteil für die EU.“ Sinnvoller sieht er Restriktionen für die Big Player aus Übersee. Der Konflikt zwischen ökonomischem Wettbewerb und dem hohen Gut des Rechts auf die eigene Privatsphäre, das es zu schützen gilt, ist bei dieser Debatte an der Tagesordnung.

Digitalisierung – Fluch oder Segen?

„Endlich Zeit für Spannenderes“, so sieht Jana Moran von AdEx, einem Third Party Data Provider, die Digitalisierung und Automatisierung. Ihrer Auffassung nach wird allen Beteiligten viel zeitfressende Arbeit abgenommen. Auch andere begrüßen die deutlich abnehmenden Routinearbeiten. Doch gerade dadurch ergibt sich eine neue Herausforderung: Nicht weniger Personal wird benötigt, sondern vor allem anders ausgebildetes mit einer Spezialisierung auf Datenstrategien und –analysen. Auch immer wichtiger wird hierbei das Bauen von Segmenten aus dem Datenüberfluss. Menschen – aus Fleisch und Blut – fällt es schlussendlich zu, die relevanten von den irrelevanten Daten zu screenen und auszusortieren.

Auch Zant ist klar, dass sich die bestehenden Berufsbilder durch die Digitalisierung verändern werden. Die Tools müssen verstanden und die Algorithmen durchschaut werden. Vom klassischen Verkäufer bis zur gesamten klassischen Mediaplanung steht dadurch allen Beschäftigungen in der Branche ein Wandel bevor. Personelle Ressourcen leiden zumindest bei adverserve nicht negativ darunter. Im Gegenteil, die Beschäftigungszahlen wachsen stetig durch die vermehrte Zunahme der Digitalisierung. Die zukünftige Tätigkeit? Data-Manager oder Data-Strategist.

Und was bringt die Zukunft sonst noch?

Hoffentlich viel gutes Wetter und Schokolade. Aber abgesehen davon? Eine automatische Bespielung beinahe aller Medienkanäle in 5-10 Jahren (in Österreich vielleicht etwas länger – „ma wü ja ned hudeln“). Technisch ist dies schon möglich. Die Entwicklung bremsen werden, so befürchtet Zant, die Politik und die Unternehmen, die die Systeme möglichst reibungslos implementieren sollten. Doch auch jetzt hat adserve schon Kunden, die ihr gesamtes Online-Budget in Programmatic Advertising investieren.

Vom „börsenartigen“ Beigeschmack spricht nicht nur Zant, sondern auch Moran: „RTA basiert bereits auf einem Börsenmodell. Das Thema kommt jedoch erst jetzt langsam in den Köpfen der Menschen an.“ Relevant für das Funktionieren ist das Zusammenarbeiten der einzelnen Marktplayer. „Das Besondere an digitaler Werbung ist, dass nie das gesamte Inventar, das zur Verfügung steht, auch tatsächlich verkauft werden kann. Darum drehen sich die Gedanken der Zukunft“, so Moran und geht noch einen Schritt weiter: „In fünf Jahren werden ca. 50 % der Werbeausgaben programmatisch sein – unabhängig vom Medium.“

Die technischen Möglichkeiten sind da, sie müssen nur noch genutzt werden. Ein Aufruf an alle Unternehmen, sich zu trauen – und an die Kreation, welche vor die wirklichen Herausforderungen gestellt ist.

Wie Fauland treffend feststellt: „Unterm Strich wird die Kreativität noch spannender und stärker gefordert.“

Mit Interviews mit

  • Thomas Zant CEO adverserve als Vertreter eines Adserversystemkomplexes
  • Jana Moran von AdEx als Third Party Data Providerin
  • Karin Fauland CEO engage.media

 

Quellen:

1 Hubspot (28. 07. 2017). If It Doesn’t Sell, It Isn’t Creative: 5 Maxims from the Golden Age of Advertising Every Marketer Should Memorize. Zugriff am 29. November 2017, von https://blog.hubspot.com/marketing/maxims-from-golden-age-advertising.
2 BVDW. (n.d.). Nettowerbeumsatz mit Programmatic Advertising in Deutschland in den Jahren 2014 bis 2016 sowie eine Prognose für 2017 (in Millionen Euro). In Statista – Das Statistik-Portal. Zugriff am 29. November 2017, von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/554935/umfrage/nettowerbeumsaetze-mit-programmatic-advertising-in-deutschland/.
3 Busch, Oliver (2014). Programmatic Advertising: The Successful Transformation to Automated, Data-Driven Marketing in Real-Time. Hamburg: Springer Verlag. S. 3.

 

Astrid Schipfer 

Autorinnen: Kristina Kern & Astrid Schipfer

 

 

 

Autorin: Barbara Klinser-Kammerzelt

FH St. Pölten
FH-Dozentin im Bachelor Marketing & Kommunikation, Master Digital Marketing & Kommunikation
Lehrgangsleitung Werbung & Markenführung

 

 

 

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