Online Handel vs. Stationärer Handel

Was ist der Store 4.0?

MuK-Blog für Digital Marketing #15: Online Handel vs. Stationärer Handel
13. Mai 2018 Marketing Natives

Der Online Handel wächst und der stationäre Handel stagniert. Alleine in den letzten zwei Jahren wuchs der Einkauf über das Internet um 12,2%. Vergleichsweise wuchs der Handel in realen Geschäften in derselben Zeitspanne um nur 0,2%. Bedeutet das den Tod für traditionelle Läden, wie wir sie kennen? Darüber klärt uns Tom Kessler im neuen MuK*-Blogbeitrag für Digital Marketing auf.

*FH St. Pölten Studiengang Medien- und Kommunikationsberatung

Online Handel vs. Stationärer Handel – Was ist der Store 4.0?

Nein! Das stationäre Geschäft ist noch lange kein Auslaufmodell. Klar, in den nächsten Jahren wird der Online Handel weiter stetig wachsen, doch auch Online Händler haben erkannt, dass ihre KundInnen Produkte fühlen möchten. (Stichwort: Amazon Go) Jeder kennt es: Soll ich mir die Schuhe nun kaufen? Werden sie mir zu klein sein, dann muss ich sie wieder zurückschicken! Mühsam! Die breite Masse setzt noch immer darauf Produkte anzugreifen, zu sehen was sie kaufen und diese eben auch auszuprobieren. Eine Studie aus dem Jahr 2017 von der PwC Deutschland hat ergeben, dass durchschnittlich knapp 50% der KonsumentInnen in Europa das stationäre Geschäft bevorzugen. Jetzt mag der oder die eine möglicherweise sagen: Und die anderen 50% kaufen somit alles Online! Das ist nicht ganz korrekt. Je nach Branche variiert dieser Prozentwert natürlich. Werden Bücher, Filme, Musik und Videospiele nur mehr zu 21% im Geschäft gekauft, schaut dieser Wert in der Lebensmittelbranche schon wieder ganz anders aus. In dieser bevorzugen nämlich 76% der KonsumentInnen einen realen Shop. Nichts desto trotz geht der Trend Richtung digitale Welt. Doch auch das bedeutet eben nicht, dass wir bald nicht mehr auf der Mariahilfer Straße in Wien einkaufen gehen können. Ganz im Gegenteil: mit digitalen Technologie wird das einfache Geschäft zu einem Showroom und die KundInnen stürzen sich in eine Erlebniswelt voller neuer Möglichkeiten.

Aufgrund dieser Vielfalt an neuer Technologien ergeben sich natürlich auch differenzierte Erwartungshaltungen: individuelle Ansprache, Technologien und Dienstleistungen, die den KundInnen den Einkauf erleichtern, stehen klar im Vordergrund. Außerdem wünscht man sich einen einzigartigen Erlebniseinkauf. Durch diese Erwartungsveränderungen der KundInnen müssen einfache Stores zu innovativen und digitalen Shops werden, die den KundInnen Bedürfnisse erfüllen, von denen sie noch gar nichts wissen.

Basierend auf der Marktanalyse soll dieser Blogbeitrag aufzeigen was der Store 4.0 alles können muss, um die Kundschaft nicht gänzlich an die virtuelle Welt zu verlieren. Oder ist eine klare Abtrennung der beiden Bereiche überhaupt der richtige Weg? Außerdem zeigt das Essay auf, was die KundInnen interessiert und wie man die physische Welt mit der Digitalen verknüpfen kann.

 

1. Der standortgebundene Klotz am Bein?

Das fortschreitende Wachstum des Online Handels setzt Brick & Mortar Unternehmen zunehmend unter Druck. Manchen Branchen (wie der Spielwarenhandel oder Elektrogeschäfte) verlieren gegenüber der Online Branche stetig an Marktanteilen. Sogenannte Online Pure Player profitieren gerade noch dazu vom Wachstum des Mobile Shoppings.

Wer kennt’s? Man möchte sich beispielsweise einen neuen Laptop zulegen. Man informiert sich vorab in einem Elektroeinzelhandel, was das Gerät kann, ob es vergleichbare Produkte gibt und welches für den eigenen Gebrauch am besten geeignet wäre. Nach diesem persönlichen Beratungsgespräch, geht man nachhause (schon entschieden welches Produkt man kaufen wird) und vergleicht online den besten Preis. Da der Elektroeinzelhandel hier keine ausreichende Verknüpfung zwischen der physischen und der digitalen Welt geboten hat, werden wir möglicherweise wo anders, um einen günstigeren Preis, kaufen. Das beschriebene Szenario wird der sogenannte ROPO Effekt genannt. ROPO bedeutet Research online/offline/Purchase offline/online. Dieser Effekt ist nämlich auch andersrum anwendbar. Bei Handyverträgen informieren wir uns lieber zuerst online, um die Preise und das Angebot zu vergleichen, um dann offline, also persönlich und individuell, den Kauf abzuschließen. Es wird nicht nur online oder offline geben. Je besser die Brücke geschlagen wird, desto eher bleiben die KundInnen bei mir – egal über welchen Kanal sie kaufen.

Warum ist wohl die digitale Transformation voll im Gange? Kostenlose Lieferungen, riesige Produktauswahl und Verfügbarkeit rund um die Uhr – doch was wollen die KonsumentInnen eigentlich? Es muss sich was ändern, das ist klar.

 

2. Die KonsumentInnen – vom Anfang bis jetzt und noch viel weiter…

Eins ist fix: der stationäre Handel hat ein Ablaufdatum – zumindest in der Form, in der wir ihn kennen.  Jedoch sollte es nicht Store 4.0 sondern Konsument 4.0 heißen. Die Treiber dieses Wandels sind doch vor allem noch die KonsumentInnen. Die mit ihren Smartphones und den riesigen und innovativen Technologieunternehmen im Rücken. Also: Du und ich! Doch sowohl du als auch ich möchten nicht, dass der traditionelle Handel in einem Geschäft ausstirbt, oder?

Also was muss der Store 4.0 nun haben, um die KundInnen 4.0 zufriedenzustellen?

Kundenfokussiert, erlebnisorientiert und interaktiv sind nur ein paar Schlagwörter zu dieser Frage. Des Weiteren ist es wichtig jeden nur möglichen Kundenkontaktpunkt zu erfassen und ihn im Store einfließen zu lassen.

Der Omnichannel Einkauf wird also immer wichtiger. Vor allem für sogenannte Digital Natives (das sind, gerade KonsumentInnen zwischen 18 und 34 Jahre, die bevorzugt digitale Kanäle nutzen). Das Besondere bei diesen jungen KonsumentInnen ist, dass diese nicht mehr zwischen online und offline unterscheiden, sondern jegliche zur Verfügung stehende Möglichkeiten nutzen. Und dazu gehört nun mal auch das In-Store Erlebnis. Betonung auf Erlebnis. Denn, sowohl im Laden selbst, also während dem Kauf, als auch vor und nach dem Kauf eines Produkts, sind es Erlebnisse, die die modernen KonsumentInnen in ihre Bewertungen einfließen lassen. Dazu zählen beispielsweise Preisabfragen vor dem Einkauf im Laden oder noch zu Hause. Aber natürlich auch jegliche Aktivitäten im Internet, seien es jetzt Social Media Plattformen oder Bewertungsforen, sind ausschlaggebend dafür, ob KundInnen online oder offline einkaufen. (siehe Abbildung 1)

Kunden kaufen offline Infografik

Abbildung 1: Was machen KundInnen, wenn sie offline einkaufen?

Somit ergibt sich ein wesentlicher Punkt: KundInnen der Zukunft wünschen sich mehr personalisierte Beratung und Angebote. Das ist zum einen mit qualitativ hochwertigen MitarbeiterInnen zu bewältigen, jedoch noch viel besser mit innovativen technologischen Möglichkeiten. Dazu zählt zum Beispiel die Bezahlung mittels Smartphone, virtuelle Anproben oder Tablets mit Beratungsfunktionen. Für knapp 18% der Befragten in der PwC Studie Total Retail von 2015, würden sogar personalisierte Angebote während des Einkaufens das Erlebnis verbessern. Das Ergebnis, dass knapp 33% der KonsumentInnen, während sie im Store sind, den Wunsch haben, das Produktsegment und Angebote auf einen Blick zu haben und gleich zu bestellen zeigt doch, dass ein stationäres Geschäft fast keine Verkaufsstelle mehr ist, sondern vielmehr ein Lager zum Ausprobieren.

 

3. In sieben Schritten zur Verknüpfung der digitalen und realen Welt

Ein Ort, an dem vernetztes Einkaufserlebnis ermöglicht wird, wo reale Produkte mithilfe von digitalen Möglichkeiten verknüpft werden und wo qualitative, aber vor allem personalisierte Beratung im Vordergrund stehen. Das alles ist der Store 4.0.

Schritt 1: Halte deine Kunden über neu eintreffende Produkte oder Angebote am Laufenden und setzte hier auf personalisierte direkte Ansprache. Ein Newsletter auf WhatsApp ist zum Beispiel so eine Möglichkeit. Unternehmen wie Walmarkt und Elmshorner Modehaus Ramelow setzen auf Kontakt mit Kurznachrichtendiensten. Nach und nach können sie so Interessen, Bedürfnisse und Wünschen der KundInnen herausfinden und Werbung bzw. Angebote anpassen. Die Verknüpfung mit sozialen Netzwerken oder Kundenkarten ist noch ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

Schritt 2: Passe deinen Store den neuen digitalen Möglichkeiten an. Der Augmented Reality Mirror (siehe Abbildung 2) zum Beispiel kann dir dabei helfen, den KundInnen ein neuartiges und individuelles Einkaufserlebnis zu bieten und gleichzeitig Lagerplatz zu sparen, weil nicht mehr jedes Produkt real vor Ort sein muss. Die KundInnen „probieren“ die Kleidungsstücke in ihrer passenden Größe vor Ort aus, werden gleichzeitig von einem oder einer MitarbeiterIn individuell und persönlich beraten und danach lässt man sich das gekaufte Produkt einfach nach Hause schicken. Der Schuhhändler Görtz oder die Media – Saturn Gruppe benutzten diese Technologie in ausgewählten Stores.

 Augmented Reality Mirror

Abbildung 2: Augmented Reality Mirror

Schritt 3: Statte deinen Laden mit Beacons aus. Es laufen ständig potenzielle KundInnen an deinem Laden vorbei, doch heinein gehen tun sie nicht. Vielleicht brauchen sie nichts oder sie shoppen nur online. Machst du sie aber auf dich aufmerksam, indem du eine Push Nachricht auf ihr Smartphone schickst, während diese KundInnen vorbeilaufen und ihnen möglicherweise noch einen Rabatt anbietest, dann ist die Wahrscheinlichkeit schon um einiges größer, dass sie deinen Laden betreten.

Schritt 4: Sei smart. Mithilfe von Sensortechnik kann man noch passende Angebote zu gewissen Produkten machen. Der amerikanische Modehändler Kohl’s testet gerade sogenannte RFID – Chips (siehe Abbildung 3). Das sind Chips, die auf der Kleidung im Geschäft platziert werden und sobald man in die Umkleidekabine geht, wird dieses Kleidungsstück automatisch erkannt. Die smarte Umkleidekabine zeigt jedem/jeder Kunden/Kundin zu dem erkannten Kleidungsstück passende Accessoires oder Angebote.

Umkleide mit RFID Chips

Abbildung 3: Umkleide mit RFID Chips

Schritt 5: Sei noch individueller. Die Massenherstellung schreibt tagtäglich negative Schlagzeilen und wird auch in Zukunft immer mehr in den Hintergrund rücken. Visionen wie 3D-Drucker, an dem sich KundInnen ihre speziell angefertigten Produkte einfach „ausdrucken“ lassen, werden immer interessanter. Diese Technologie ist schon sehr fortschreitend, wie das Start UP mything.combeweist.

Schritt 6:  Sei interaktiver als je zuvor. Ein Adidas Shop in Nürnberg und einer in Helsinki bieten interaktive Schaufenster an. Personen können auch noch nach Ladenschluss im Laden stöbern und über ihr Smartphone bestellen. Die weiterführende Variante wäre dann personalisierte Werbung durch automatische Verbindung der Kundenkarte oder Social-Media-Kanälen.

Schritt 7: Die digitale Vernetzung ermöglicht Unternehmen ständigen Kontakt mit ihren KundInnen. Die Begleitung im gesamten Produktlebenszyklus ist wichtig für die Kundenzufriedenheit und deren Loyalität.

 

4. Fazit

Eines ist also gewiss: der Store wie wir ihn kennen, wird so nicht ewig überlebensfähig sein. Doch der komplette Wegfall von stationären Läden ist eher unwahrscheinlich. Eine Mischung aus digitaler und realer Welt, ein kundenorientiertes bzw. personalisiertes Kundenerlebnis und ein Hauch von Innovation lassen ein traditionelles, standortabhängiges Geschäft gegenüber der großen Konkurrenz, dem Online Handel, weiterhin aus der Masse herausstechen. Je früher desto besser, meiner Meinung nach, denn wenn du es nicht machst, macht es wer anderer.

Ich als Digital Native glaube, dass die meisten hier zusammengefassten Prognosen stimmen. Klar wird alles individueller und personalisierter, und das ist auch gut so. Ich bin auch überzeugt davon, dass teilweise gewisse Branchen, die jetzt schon zu einem großen Teil online gekauft werden, offline komplett aussterben werden. Dazu zähle ich auf jeden Fall die Musik- und Filmbranche, die Spielebranche und zum Teil auch der Elektrofachhandel.  Aus dem simplen Grund, da die meisten Produkte in diesen Segmenten schon so digital sind, dass man kaum mehr auf die kommt offline zu kaufen. Alleine die Entwicklung im Bereich der Spielekonsolen, in der Spiele zukünftig in einer Online Cloud (ähnliches Prinzip wie Netflix & co.) gekauft bzw. ausgeborgt werden können, bestätigt meine Theorie.

In der Lebensmittelbranche wird es, meiner Meinung nach, noch lange eigene Stores geben. Hier spreche ich als Digital Native, der noch nie online Lebensmittel bestellt hat. Doch auch dieser Bereich muss gewappnet sein. Erstens, geht auch hier der Trend in den Online Handel – nicht so rasant, aber doch. Und zweitens, sind Player wie Amazon und Google schon in den Startlöchern, auch diesen Bereich zu reformieren und schließlich zu übernehmen. Kassenlose Geschäfte, Produktfinder oder einfaches Screening der Läden, um Überblick zu schaffen, sind nur wenige Beispiele.

Digitale und reale Welt werden ineinander verschmelzen. Ich bin gespannt!

Tom Kessler Portrait

 

Autor: Tom Kessler

Über Tom: Ich heiße Tom Kessler und studiere an der Fachhochschule St. Pölten im Bachelorstudium „Media- und Kommunikationsberatung“. Das Thema zu dem Blog habe ich gewählt, weil ich momentan an meiner Start UP Gründung arbeite. Ich bin dabei die APP „Cupio.“ zu entwickeln, die den stationären Handel von Grund auf umkrempelt.

 

Autorin: Barbara Klinser-Kammerzelt

FH St. Pölten
FH-Dozentin im Bachelor Marketing & Kommunikation, Master Digital Marketing & Kommunikation
Lehrgangsleitung Werbung & Markenführung

 

Disclaimer: Namentlich gekennzeichnete Beiträge wie dieser hier geben die Meinung des jeweiligen Autors und nicht immer die Meinung des Anbieters wieder.

Quellen:

PwC (2016): Store 4.0. Zukunft des stationären Handels.
PwC (2017): Total Retail 2017. Sechs Trends die den Handel nachhaltig verändern.
https://www.mmaaustria.at/2017
http://www.veektime.com/gadgets/amazon-patented-the-augmented-reality-mirror/

The Community for Young Marketers in Austria. Join us!