Die Achterbahn ausprobieren

– oder vom "Start-Up sein"

MuK-Blog für Digital Marketing #10: Die österreichische Start-Up-Szene
21. November 2017 Marketing Natives

„An einem Tag ist man der König der Welt, am nächsten Tag kommt man nicht mehr aus dem Bett. So fühlt es sich an, ein Start-Up zu gründen.“ Die beiden MuK*-Studentinnen Astrid Schipfer und Michaela Mandl klären uns in diesem Blog-Beitrag über die heimische Start-Up-Szene auf.

*FH St. Pölten Studiengang Media- und Kommunikationsberatung

Innovativ, innovativer, Österreich – unsere heiße Start-Up-Szene

Das Gefühl, wenn man mit der Achterbahn fährt. Die grenzenlose Freude, die alles einnehmende Panik. An einem Tag ist man der König der Welt, am nächsten Tag kommt man nicht mehr aus dem Bett. So fühlt es sich an, ein Start-Up zu gründen, zumindest für Thomas Krieberegg, CEO und Co-Founder von „Appers“. Und trotz der Ups & Downs bereut er es nicht, den Schritt gewagt zu haben – wie auch kaum ein anderer.

Seit November 2015 ist das Grazer Start-Up auf Erfolgskurs – ohne wirkliche Konkurrenz. Mit App Radar, einem Analyse- und Optimierungstool, werden die Kunden dabei unterstützt, mit ihren Apps erfolgreich zu werden. Da es bereits mehr als 4 Millionen Apps in den größten App Stores (Apple & Google Play) gibt, wird es immer schwerer für Unternehmen, sich im App Store gegen den stetig wachsenden Mitbewerb durchzusetzen. Appers weist Rezessionen von Forbes, Horizont, Future Zone und vielen anderen vor. Auch seine Kunden können sich sehen lassen – der Online-Riese Zalando oder Tinder sind nur zwei große.1

Stichwort Start-Up. Ab wann gilt ein Unternehmen als Start-Up? Dies ist von mehreren Faktoren abhängig: wenn es noch jung und nicht etabliert ist, für die Verwirklichung einer innovativen Geschäftsidee mit geringem Startkapital gegründet wurde und zur Finanzierung zu Beginn meist auf den Erhalt von Venture-Kapital, Seed-Kapital oder Kapital von Business Angels angewiesen ist.13 Auch soll es jünger als 10 Jahre sein, und ein signifikantes Umsatz- und/oder Beschäftigungswachstum aufweisen, eine (technologische) Innovation eingeführt haben und/oder mit einem innovativen Geschäftsmodell operieren.14

In Österreich werden 21 % der Start-Ups über Business Angels finanziert und 24 % über Venture Capital. Rund 86 % nutzen ihre Eigenmittel um für die Kosten aufzukommen. Öffentliche Förderungen erhalten rund 55 %.14

Für die Gründer von „Byrd“, einem Wiener Start-Up aus dem Programm der Technischen Universität Wien, gibt es nichts Wichtigeres, als ein motiviertes und verlässliches Team, das hinter der Sache steht. Byrd wurde 2016 als Paketversand gegründet. Ursprünglich vor allem dafür gedacht, Privatkunden das Leben zu erleichtern, haben sie sich nun vollends auf Business Kunden spezialisiert. Der Dienstleister, der als Zwischenstelle zwischen Unternehmen und dem Versand-Unternehmen (Post, Hermes, etc.) steht, hat schon über 800 registrierte Kunden.2

Die jungen Unternehmen stehen vor vielen Herausforderungen. Eine davon ist die Kundenakquise, aber auch interne Organisation und Produktentwicklung sind derzeit fordernd.3 Byrd hat die Hürde des Wachstums mit einem zweiten Standort neben Wien gemeistert – und das mit Berlin, der deutschen Hauptstadt.

In Österreich erlebt das Start-Up-gründen derzeit regelrecht einen Hype. Laut dem U.S. News & World Report ist Österreich unter den Top 20 Ländern für Unternehmertum und Start-Ups nach dem Best Countries Ranking 2017.4 Dies liegt an dem geförderten Umfeld in Österreich – zumindest laut Benedikt Skorpik, Gründer von „Brand+Co“.

Dies sei mitunter ein Grund, weshalb die Agentur existiere. Die Kommunikationsagentur ist damit beschäftigt, digitale Ideen zu optimieren. Sie helfen Start-Ups auf ihrem Weg zum Erfolg und auch darüber hinaus. Der Arbeit mit Start-Ups gewinnt Skorpik deswegen so viel ab, weil die Arbeitsprozesse dynamischer und schneller sind, als die von großen Unternehmen. Es bestehe ein schneller Wandel bei den verschiedenen Businessmodellen, bei denen die „Big Players“ das Potenzial und die Ideenkiste junger und kleineren Unternehmen für sich gewinnen müssen, um am Markt weiter zu bestehen. Die Szene in Österreich umfasst immer neuere Ideen und Businessmodelle.5 Nicht zuletzt Statista berichtet 2016, dass es überwiegend eigenständige Unternehmensgründungen sind, die am Markt boomen.6

Von der Abwandlung eines bereits bekannten Businessmodells erzählt Theresa Brandstetter vom Start-Up „cashpresso“. Einen Kredit aufnehmen kann (fast) jeder, es ist eine gängige Methode – wenn auch mit vielen Hindernissen verbunden. Aber binnen 10-15 Minuten tatsächlich die Summe auf seinem Bankkonto zu haben, funktioniert nur mit „Cashpresso“. Ein Vorteil der Start-Up-Szene in Wien sind die Messen und Treffen der jungen Unternehmer.7 Laut Wirtschaftskammer Österreich ist Wien das Bundesland mit den meisten Unternehmensgründungen österreichweit.8 Theresa erzählt, dass in der Szene jeder jeden kennt – dies verdankt man natürlich der Stadtmetropole.

Viele Österreicher und Österreicherinnen wollen ihr Glück auch 2017 versuchen und bei der Achterbahn mitfahren. Gerade junge Menschen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren wagen es.9 Und zwar einige, laut Gründerservice sind das jährlich inzwischen ca. 500-1000 Start-Ups. Trotz dieser Zahl macht das von den Gesamtneugründungen in Österreich nur zwischen 1,5 bis 3 % aus. Aktuell gibt es 2017 nur 2000-4000 Start-Ups. Diese konzentrieren sich nicht nur auf den doch begrenzten österreichischen Markt, sondern vor allem auf ihre internationalen Chancen. Europäische Märkte werden zu 41 % angestrebt, zu 11 % sogar außereuropäische.14

Hannes Raffaseder, Leiter des FH St. Pölten-Services Forschung und Wissenstransfer, beschäftigt sich beruflich mit der Entwicklung und Förderung von Start-Ups. Er berichtet im Interview10 über viele neue gute Ideen – laufend. Dennoch weist er auf die Wichtigkeit hin, dass sich Gründer nicht nur alleine mit der Idee begnügen. Es ist meist keine Frage der Technologie, sondern oftmals mehr die der Relevanz der Businessmodelle, Arbeitsabläufe und Kommunikationsstrukturen, welche dann die Höhe oder Tiefe ausmachen. Durch den Wandel von „Product to Platform“, also auch in Richtung Dienstleistung zu denken, bieten sich somit aber auch neue Möglichkeiten, die es auszuschöpfen gilt. Gerade im Medienbereich ist viel Potenzial vorhanden, so Raffaseder.

Den Status vom Konzept „approval“, also den Prozess bei dem man die Kunden vom Produkt überzeugt, gilt es zu überwinden – so Phillip Fumolo, CEO von „ViewAR“. Das Unternehmen zählt zu den weltweit führenden Providern von Augmented Reality-Anwendungen. Da es sich bei diesem Produkt um eine „Early Adopter“ Technologie handelt, ist der Markt nicht sehr groß und demnach auch die Nachfrage nicht. Augmented Reality ist noch nicht als „Muss“ anerkannt worden und aus diesem Grund lebt das Unternehmen Großteils von Exportkunden. Doch es hat sich im Ecommerce und Retail Bereich etabliert und wird vermutlich in Zukunft auch in der Bauindustrie zu finden sein. Die Technologie bietet neue Möglichkeiten der Visualisierung. Bei so großen Zielen ist es wichtig den Fokus zu behalten – so Fumolo. „Man kann nicht alles gleichzeitig machen. Außerdem muss das Team an einem Strang ziehen.“11

Wenn es um neue Technologien geht, ist vor allem das Kundenfeedback relevant. Gregor Jarisch – Leiter des Bereiches für Chatbots des norwegischen Unternehmens „Differ“ – spricht von Technologien am Puls der Zeit. Das Unternehmen verwendet künstliche Intelligenz für Chatbots um eine Kommunikationsplattform für Universitäten zu schaffen. Bei dieser neuen Kommunikationsform sind vor allem die Bedürfnisse und das Nutzungsverhalten der Kunden wichtig, um sich etablieren zu können.12

Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg ist es auf jeden Fall auch, innovativ zu sein. Laut Krieberegg (Appers): „Innovation ist, neue Wege zu beschreiten – mit dem Beisatz, dass man auch Geld damit verdienen kann. Man muss realistische, vorausschauende Ideen haben.“

Auf dieser abenteuerlichen Achterbahnfahrt ins Glück ist der Erfolg zum Greifen nah und doch so fern. Es geht um Ausdauer, Kreativität und den Mut, sich selbst zu entfalten – und einen Hauch Realismus, also nicht das Ziel aus den Augen zu verlieren. Somit – auf das Gründen, fertig los!

 

Für Gründungs-Entschlossene noch ein paar hilfreiche Tipps:

www.aws.at
www.austrianstartups.com
www.gruenderservice.at
www.foerderportal.at/foerderungen

 

Autorinnen: Astrid Schipfer, Michaela Mandl

 

Autorin: Barbara Klinser-Kammerzelt

FH St. Pölten
FH-Dozentin im Bachelor Marketing & Kommunikation, Master Digital Marketing & Kommunikation
Lehrgangsleitung Werbung & Markenführung

 

Disclaimer: Namentlich gekennzeichnete Beiträge wie dieser hier geben die Meinung des jeweiligen Autors und nicht immer die Meinung des Anbieters wieder.

 

Quellen
1 Interview mit Thomas Krieberegg (Appers), durchgeführt am 25. Oktober 2017
2 Interview mit Petra Dobrocka (Byrd), durchgeführt am 25. Oktober 2017
3 Statista 2016, österreichweit, n=134 Start-Ups
4 U. S. News & World Report 2017, n=21.372
5 Interview mit Benedikt Skorpik (Brand+co), durchgeführt am 27. Oktober 2017
6 Statista 2016, österreichweit, n=134 Start-Ups
7 Interview mit Theresa Brandstetter (cashpresso), durchgeführt am 27. Oktober 2017
8 Wirtschaftskammer Österreich 2006 bis 2016
9 Statista 2016, österreichweit, n=134 Start-Ups
10 Interview mit Hannes Raffaseder, durchgeführt am 19. Oktober 2017
11 Interview mit Phillip Fumolo (ViewAR), durchgeführt am 31. Oktober 2017
12 Interview mit Gregor Jarisch (Differ), durchgeführt am 31. Oktober 2017
13 Gabler Wirtschaftslexikon Online
14 Gründerservice Österreich

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