Michael Schuster: Aus dem Nähkästchen der NEOS

Michael Schuster: Aus dem Nähkästchen der NEOS
31. Oktober 2013 Marketing Natives

Wenn ein Vortragender eine knallrote Hose und eine Nerd-Brille trägt und das Publikum zuallererst „Kömma per Du sein?“ frägt, gibt’s schon mal erste Sympathiepunkte. Michael Schuster von den NEOS sprang kurzfristig für die Wahlkampfleiterin Grace Pardy ein, die erkrankt war. Seine ersten Sporen hat sich Michael bei knallgrau verdient, „das Internet wurde zur Droge“. Weitere Stationen waren Semantic Labs und die Initiative schwarzgruen.org, bis Michael Schuster schließlich Gründungs- und Vorstandsmitglied der NEOS wurde.

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Michael steigt erstmal vom Podium runter in die Mitte der Zuhörer, die Leinwand bleibt schwarz – keine PowerPoint. Seine Rede hat er auf einem kleinen Schummelzettel vorbereitet. „Laut Briefing geht es um Collaboration… da hab ich gleich mal auf Wikipedia nachgeschaut!“ Kollaboration bedeutet für ihn aber nicht die Zusammenarbeit mit einem Feind in Zeiten des Krieges, sondern Hierarchien zu reduzieren.„Zusammenarbeit ist eine Haltung. Kein Werkzeug, kein Ziel und kein Prozess. Bei uns herrscht wirklich eine uneitle Haltung des Alles-Teilens.“

Michael Schuster

 

Von Hütten, Koffern und Farben

Am Gründungsabend der NEOS versammelten sich ca. 30 Personen rund um Matthias Strolz in einer Hütte im Helenental. Anschaulich beschreibt Michael, wie die Anwesenden sich daraufhin im Kreis, sortiert nach Wahlverhalten, aufstellten: Wer grün gewählt hat dorthin, schwarz dort, blau gibt es eh keinen… Es ging darum, sich ein Bild zu verschaffen und zu eruieren, wie „sich das anfühlt“. Am Ende dieses Wochenendes stand fest: Wir gründen eine neue Partei.

Michael erzählt daraufhin von den Schwierigkeiten, einen Namen und eine Parteifarbe zu finden. Das Neue Österreich war fix, im Urlaub mit seiner Partnerin entstand das Kofferwort NEOS. Ob dieses Assoziationen mit der Neonazi-Szene hervorruft, war oft Gegenstand von Diskussionen. Als Farben waren auch Weiß (für Weißwähler), Petrol oder Bunt im Gespräch. Das NEOS-Pink ist übrigens derselbe Farbwert wie das Magenta von T-Mobile. Ist nur keinem aufgefallen. Meiner Meinung nach kein Zufall, dass Pink für Leidenschaft steht.

Michael Schuster

Schließlich geht es um die konkrete Zusammenarbeit unter den NEOS. Michael beschreibt die Partei als postmoderne Organisation mit Startup-Feeling und flacher Hierarchie. Jedes Mitglied trägt hohe Eigenverantwortung. „Das ist anstrengend, aber gut.“ Grace Pardy war im Wahlkampf „der Hirte, der die Schafherde umkreist“, um digitale Ideen zu generieren. Jeder darf bei den NEOS Ideen und Konzepte einbringen, was für die hinzugezogenen Agenturen oft nicht leicht ist. Die Agenturen wurden wie Kollegen integriert und saßen genauso in Meetings und diskutierten angeregt über Parteithemen. Wesentliche Kampagnenbestandteile kamen aber bei weitem nicht alle von den Agenturen.

Facebook, Flyer und Michael Jackson

Als bestes Collaboration-Tool bei den NEOS nennt Michael eine Facebook-Gruppe. Dort dürften alle Mitglieder über Neuigkeiten und Ideen diskutieren. Die Organisationsstruktur ist nicht hierarchisch oder machtorientiert, wobei Einbindung und Leadership natürlich im Widerspruch stehen. Vom Praktikanten bis zum Spitzenkandidat hängten am Samstag Abend vor der Wahl alle noch Flyer an Türen. Ein Datum, auf das alle gemeinsam zusteuern, sei super für die Zusammenarbeit. Man braucht ein klares Ziel, eine starke Botschaft – ein Produkt, das zieht. Wobei das Produkt einer Partei ja reine Kommunikation ist. Die Agenturen, die den Wahlkampf unterstützten, wurden nicht bezahlt – „Wir haben ja kein Geld.“ Aber nach dem „Michael-Jackson-Prinzip“ war es ihr Lohn, „die Welt zu einem besseren Ort zu machen“. Auch eine interessante Beobachtung: Von den 900 Mitgliedern sitzen jetzt 9 im Nationalrat. Nur 15 Leute spüren das Ergebnis der Wahl konkret. Der Rest kämpft einfach aus dem Glauben an die gute Sache heraus. Die Zyklen im Wahlkampf sind dabei kurz. Der TV-Spot z.B. war 10 Tage nach der Geburt der Idee on air und wurde an einem Tag gedreht. „Da bleibt einem gar nichts anderes übrig, als zu kollaborieren.“

Publikumsfragen
 

Das Publikum kommt zu Wort

Es folgen die Fragen aus dem Publikum: Erst wenige Wochen vor der Wahl zog das Ergebnis der NEOS in den Umfragen merklich an. Wie hält man davor die Motivation aufrecht? Michael berichtet, dass „die Leute auf der Straße gemerkt haben, wie gut das funktioniert“: Im Gespräch mit Bürgern waren die Reaktionen viel positiver als die Umfragewerte. Er habe in diesem Wahlkampf viel über Umfragen gelernt und man solle sich nicht zu sehr auf sie verlassen.

Jemand will wissen, wie man diesen Startup-Spirit und das Prinzip des kleinen Teams in Zukunft managen will. Michael: Wir haben mit 30 Mitgliedern begonnen und sind jetzt 900. 20 sitzen in der NEOSphäre, mit dem Rest kommuniziert man über E-Mail und Facebook. Der Vorstand und die Länder treffen sich regelmäßig. Was bei den Meetings besprochen und beschlossen wird, stellt ein Vorstandsmitglied dann in die Facebook-Gruppe.

Fazit:

Michael Schuster strahlt dieselbe Energie und Sympathie wie Matthias Strolz aus. Die Vorstandsmitglieder transportieren das Image eines jungen, coolen Startups mit hochmotivierten Mitarbeitern. Man kauft ihm ab, dass bei den NEOS auch der Praktikant eine Idee für ein Facebook-Posting oder einen Spot umsetzen kann und darf. Ich glaube, das Erfolgsgeheimnis der NEOS ist die ansteckende Leidenschaft, die sich in den Meetings sicher potenziert. Gepaart mit einer offenen Unternehmensstruktur und einladendem Ideenmanagement sind sie ein Paradebeispiel für kreatives Chaos, das unbürokratisch Neues und Kraftvolles hervorbringt. Man darf gespannt sein, wie sich die NEOS weiterentwickeln.